Überarbeitete EU-Leitlinie für die gute Vertriebspraxis mit grundlegenden Änderungen

Die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher (GD SANCO) der Europäischen Kommission hat den Entwurf der überarbeiteten „Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln“ zur öffentlichen Konsultation veröffentlicht. Die Arbeitsgruppe der GMP/GDP Inspektoren der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA hat die Leitlinie überarbeitet, die im Jahr 1994 das erste Mal veröffentlicht wurde.
Die Leitlinie wurde überarbeitet, um den aktuellen Entwicklungen bei der Lagerung und beim Vertrieb von Arzneimitteln in der Europäischen Union Rechnung zu tragen. Darüber hinaus sollte sie die Änderungen des Gemeinschaftskodexes berücksichtigen, die mit der Richtlinie 2011/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel hinsichtlich der Verhinderung des Eindringens von gefälschten Arzneimitteln in die legale Lieferkette eingeführt wurden.

Mit der neuen Leitlinie soll ein Qualitätsmanagementsystem für Großhändler eingeführt werden, das auch Prinzipien des Qualitätsrisikomanagements enthält. „Großhändler müssen ein Qualitätssystem anwenden, in dem die Verantwortlichkeiten, Prozesse und Risikomanagement-Maßnahmen in Bezug auf ihre Aktivitäten festgelegt sind.“ Die Führungskräfte sollten dafür verantwortlichen sein, alle Bereiche des Qualitätssystems mit angemessenen Ressourcen, Räumlichkeiten, Anlagen und Geräten zu unterstützen, während die Verantwortliche Person ("Responsible Person") für die Umsetzung und Aufrechterhaltung des Qualitätssystems verantwortlich sein sollte.

Das System sollte auch ein Änderungskontrollsystem (Change Control) beinhalten, eine Kontrolle und Überprüfung aller ausgelagerten Aktivitäten sowie einen formalen Prozess für die regelmäßige Überprüfung des Qualitätsmanagementsystems (Management Review).

Im 2. Kapitel „Personal“ werden die Qualifikationen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Verantwortlichen Person festgelegt. Die Verantwortliche Person sollte ständig erreichbar sein. Neu ist, dass allgemeine Anforderungen wie ein Organigramm, Stellenbeschreibungen und Schulungsanforderungen aufgeführt oder viel genauer beschrieben sind. Der Erfolg von Schulungen sollte regelmäßig bewertet und dokumentiert werden.
 
Es wurden Vorschriften für Produkte festgelegt, für die besondere Anforderungen an die Handhabung bestehen (z.B. Betäubungsmittel), für radioaktives Material und andere gefährliche Stoffe sowie für Produkte, die besonders feuer- oder explosionsgefährdet sind.

In dem Entwurf wird jetzt auch ein Temperatur-Mapping gefordert. Nach einem anfänglichen Mapping sollten auch die saisonal bedingten Änderungen berücksichtigt werden. Wenn Kühlfahrzeuge eingesetzt werden, muss auch hier mindestens einmal jährlich ein Temperatur-Mapping durchgeführt werden.

Zwei weitere neue Abschnitte konzentrieren sich auf die Ausrüstungbzw. Betriebsmittel und auf computerisierte Systeme. Die gesamte Ausrüstung sollte auf geeignete Weise geplant, platziert, gewartet und kalibriert werden. Computer müssen mindestens gemäß den in der neuen Leitlinie festgelegten Mindestanforderungen qualifiziert sein. Alle Qualifizierungs- und Validierungsarbeiten sind basierend auf einem Risikobewertungsansatz durchzuführen.

Qualifizierung von Lieferanten und Kunden: alle Lieferanten sind auf angemessene Weise zu qualifizieren. Das heißt beispielsweise, dass Großhändler überprüfen müssen, ob ein anderer, sie beliefernder Großhändler die Grundsätze und Leitlinien der GDP einhält. Werden Arzneimittel von einem Hersteller bezogen, müssen die Großhändler sicherstellen, dass der Hersteller oder Importeur eine Herstellungserlaubnis hat. Es ist wichtig, die Qualifizierung vor der Auftragsvergabe durchzuführen. Die Auswahl von Lieferanten, einschließlich ihrer Qualifizierung und Genehmigung sollte in SOPs festgelegt werden, die Ergebnisse sind zu dokumentieren und regelmäßig zu bewerten. Großhändler müssen auch sicherstellten, dass sie Arzneimittel nur an Personen oder Rechtspersonen liefern, die eine Vertriebsgenehmigung haben oder die dazu befugt sind, Arzneimittel an die Öffentlichkeit zu liefern. Das ist nicht neu, aber diese Qualifizierung von Kunden sollte angemessen dokumentiert und wiederholt überprüft werden. Dazu gehört auch, dass Kopien von den Genehmigungen der Kunden verlangt werden sollen, sowie der Nachweis von Qualifikationen und Berechtigungen gemäß den nationalen Rechtsvorschriften angefordert werden sollen. Bei der Auftragsvergabe (beispielsweise bei Transportaktivitäten) müssen schriftliche Verträge aufgesetzt werden, die sämtliche Vertriebsaktivitäten abdecken und die Pflichten und Verantwortlichkeiten jeder Partei klar festlegen.

FEFO statt FIFO. Die aktuelle Leitlinie für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (94/C 63/03) fordert ein System, das den Umschlag des Bestands nach dem „first in first out“-Prinzip sicherstellt. Der neue Entwurf verlangt stattdessen eine Lagerentnahmestrategie nach dem „first expired first out“ (FEFO) Prinzip.

Im neuen Entwurf werden Rückrufverfahren in einem Kapitel abgedeckt, das Beanstandungen, Rücksendungen, mutmaßlich gefälschten Arzneimitteln und Arzneimittel-Rückrufen gewidmet ist. Hier werden die jeweiligen Erwartungen detailliert beschrieben. Große Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass die national zuständige Behörde „unverzüglich“ über alle Beanstandungen zu informieren ist, die sich auf einen möglichen Produktmangel oder ein möglicherweise gefälschtes Produkt beziehen. Soweit möglich ist auch der Zulassungsinhaber des jeweiligen Arzneimittels zu informieren. In den Entwurf wurde auch ein System von simulierten Rückrufen ("Mock Recall") aufgenommen: „Die Wirksamkeit der Vorkehrungen für einen Rückruf müssen regelmäßig bewertet werden.“

Transport und Schulung der Fahrer: laut dem neuen Entwurf müssen die Großhändler bwz. Versender sicherstellen, dass die für die Distribution und den Transport genutzten Fahrzeuge (und Ausrüstungsgegenstände) für ihre Verwendung geeignet sind und die Qualität und die Unversehrtheit der Verpackung nicht beeinträchtigen. Die Fahrer (einschließlich der Vertragsfahrer) sollten in den jeweiligen Bereichen der GDP geschult werden.

Weitere vorgeschlagene Forderungen:

  • „Es sollten Verfahren für den Betrieb und die Wartung aller Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände vorliegen, die Teil des Distributionsprozesses sind.“ 
  • „Lieferungen sollten direkt an die auf dem Lieferschein angegebene Adresse erfolgen und in die Obhut des Empfängers übergeben werden.“ 
  • „Sollten in der Lieferkette Hubs (Zwischenlager) genutzt werden, muss der Weitertransport normalerweise innerhalb von 24 Stunden erfolgen.“ 
  • „Wenn gekühlte Produkte in einem Hub gelagert werden, muss für den Lagerraum unabhängig von der Lagerdauer eine Großhandels-Betriebserlaubnis vorliegen.“ 
  • „Sollte der Transport von Arzneimitteln das Entladen und Wiederbeladen beispielsweise an Endstationen oder Hubs erforderlich machen, müssen diese Räumlichkeiten auditiert und genehmigt werden.“ 
  • „Es sollten validierte Temperatur-Kontrollsysteme (beispielsweise thermische Verpackungen, temperaturkontrollierte Container und Kühlfahrzeuge) verwendet werden, um sicherzustellen, dass auf dem Weg zwischen dem Distribuenten und dem Kunden die richtigen Transportbedingungen aufrecht erhalten werden.“ 
  • „Der Prozess für die Lieferung empfindlicher Produkte und für die Kontrolle saisonal bedingter Temperaturänderungen sollte in einem schriftlichen Verfahren festgelegt werden.”

Kapitel 10 beschreibt besondere Vorschriften für Broker. Sie sind zur Unterhaltung eines Qualitätsmanagementsystems und zur Schulung des Personals verpflichtet.

Der Leitlinienentwurf ist insbesondere für Großhändler und Broker von Humanarzneimitteln sowie für Hersteller von Bedeutung, die ihre eigenen Produkte direkt vertreiben gedacht. Einige dieser neuen Vorschläge könnten Anlass zu weiteren Diskussionen geben. Kommentare und Vorschläge sind bis zum 31. Dezember 2011 per E-Mail unter Verwendung des Kommentierungsvordrucks unter den E-Mail-Anschriften SANCO-gmp@ec.europa.eu und ADM-GMDP@ema.europa.eu einzureichen.

Autor:
Wolfgang Schmitt
CONCEPT HEIDELBERG

Quellen:

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