Neues Kapitel der USP zu oralen Darreichungsformen

Seminarempfehlung
14-16 October 2025
GMP Compliance and Technology for the Manufacture of Oral Solid Dosage Forms
Die USP hat im Pharmaceutical Form PF 51(5) das neue informative Kapitel <1664.5> Oral Dosage Forms zur Kommentierung veröffentlicht. Das neue Kapitel liefert eine Anleitung zur Bewertung von Leachables, die aus der Herstellung oder aus Verpackungskomponenten in orale Arzneiformen übergehen können. Anwendung findet das neue Kapitel bei:
- flüssigen oralen Formen (Liquid oral dosage forms; LODFs) wie Lösungen, Suspensionen, Emulsionen, Elixieren. Diese sind meist in Glas- oder Kunststoffflaschen (Mehrfachentnahme) mit geeigneten Barriereeigenschaften verpackt. Bei der Herstellung kommen Mischbehälter, Filtrationsanlage und Abfülllinien, ggf. mit polymerhaltigen Kontaktmaterialien (z.B. Silikon) zum Einsatz.
- halbfesten Formen (Semi-solid Oral Dosage Forms; SSODFs) wie Pasten oder Gele. Diese werden in Kunststofflaminattuben oder -beuteln mit Gas- und Feuchtigkeitsbarrieren verpackt; bei flüchtigen Bestandteilen können auch Metalltuben erforderlich sein. Die Herstellungsausrüstung ist mit LODFs vergleichbar.
- festen orale Darreichungsformen (Solid oral dosage forms; SODFs) wie Tabletten, Kapseln, Granulaten, Pulvern. Diese sind typischerweise in HDPE-Flaschen oder Blisterverpackungen mit geeigneten Barriereeigenschaften sowie Lichtgeschützt verpackt. In der Herstellung kommen üblicherweise metallische Anlagen (v.a. Edelstahl) zum Einsatz, da überwiegend Trockensubstanz verarbeitet wird. Klassische Prozesse sind Direktverpressung, Granulation und Coating.
Regulatorische Bewertung
Die regulatorischen Anforderungen an Extractables- und Leachables-Prüfungen (E&L) für orale Darreichungsformen (ODFs) orientieren sich am Risikopotenzial der jeweiligen Arzneiform und der Materialien, die mit dem Produkt in Kontakt stehen.
- Für flüssige orale Darreichungsformen (LODFs) ohne Tenside, Cosolvents oder andere extraktionsfördernde Hilfsstoffe ist keine separate E&L-Prüfung notwendig, sofern das Verpackungsmaterial regulativ abgedeckt ist - also durch genannte Vorschriften bereits toxikologisch bewertet wurde.
- Wenn ein LODF jedoch Tenside, Co-solvents oder Solubilisierungshilfen enthält, muss geprüft werden, ob die daraus resultierende Extraktionskraft noch durch die vorhandene regulatorische Bewertung abgedeckt ist. Falls nicht, sind zusätzliche Daten zu Extractables - und ggf. auch Leachables - erforderlich.
- Für LODFs und SSODFs gilt: Wenn keine ausreichende regulatorische Abdeckung nachgewiesen werden kann, muss eine risikobasierte Bewertung erfolgen, einschließlich toxikologischer Beurteilung und ggf. analytischer Prüfung.
- Für feste orale Darreichungsformen (SODFs) wie Tabletten und Kapseln wird das Risiko für Wechselwirkungen mit Verpackungs- oder Herstellungsmaterialien als sehr gering eingestuft. Wenn die Materialien mit geltenden Vorschriften wie den FDA Food Contact Regulations (21 CFR Parts 174-186) sowie den entsprechenden USP-Kapiteln (z.B. <661.1>, <661.2>, <665>) konform sind, gelten sie als sicher. Eine E&L-Prüfung ist in diesem Fall nicht erforderlich.
Chemische Bewertung & Grenzwerte
Die Notwendigkeit für E&L-Tests hängt von der Darreichungsform und vom Verwendungszweck des Materials (Verpackung oder Herstellung) ab. Die USP differenziert dabei klar:
Verpackungsmaterialien
- Für SODFs sind keine E&L-Prüfungen erforderlich, sofern das Verpackungsmaterial mit den einschlägigen compendialen Vorgaben sowie den FDA-Regularien für Lebensmittelkontaktmaterialien übereinstimmt.
- Für LODFs ohne leaching-fördernde Hilfsstoffe reicht ebenfalls die regulatorische Konformität der Verpackungsmaterialien aus; zusätzliche Tests sind nicht erforderlich.
- Für LODFs mit Tensiden, Cosolvents oder Solubilisierungsmitteln ist zu bewerten, ob das Materialverhalten im Rahmen der Food Contact Regulations (z.B. hinsichtlich Extraktionsvermögen) ausreichend berücksichtigt ist. Ist dies nicht der Fall, müssen Extractables-Tests durchgeführt werden; ggf. sind auch Leachables-Studien erforderlich.
- Besonderheit Nitrosamine: Verpackungsmaterialien (z.B. Blister mit Nitrocellulose) können eine Quelle für Nitrosamine sein. Deshalb ist eine risikobasierte Bewertung erforderlich. Bei begründetem Risiko wird empfohlen, gezielte Nitrosamin-Analysen durchzuführen.
Herstellung
- Für LODFs mit metallischen Produktkontaktteilen sind E&L-Prüfungen ebenfalls nicht erforderlich, es sei denn, es besteht ein begründeter Verdacht auf elementare Verunreinigungen (z.B. Schwermetalle). In diesem Fall genügt ein Extractables-Test; Leachables müssen nur dann geprüft werden, wenn Schwellenwerte (z.B. >30% des PDE) überschritten werden.
- Für LODFs mit Kunststoff-Komponenten in der Herstellung (z.B. Schläuche, Dichtungen) ist eine Bewertung des Leachables-Risikos erforderlich. Nur wenn diese Komponenten vollständig charakterisiert und regulativ abgedeckt sind, kann auf zusätzliche Tests verzichtet werden. Falls nicht, sind auch hier zunächst Extractables-Tests, bei Bedarf auch Leachables-Studien durchzuführen.
- Für SODFs sind keine E&L-Prüfungen der Herstellungssysteme erforderlich, da die Produktströme fest sind und metallische Kontaktmaterialien üblicherweise kein Risiko für organische Leachables darstellen.
Hilfsgeräte und Dosierhilfen
Hilfsgeräte wie Dosierspritzen oder Applikatoren müssen aus bekannten, bewerteten Materialien bestehen. Wenn diese Materialien sowohl compendial als auch lebensmittelrechtlich abgedeckt sind, sind keine E&L-Tests erforderlich. Nur bei abweichenden Materialien oder potenziellem Sicherheitsrisiko ist eine gezielte Prüfung nötig. Die USP betont, dass die Kontaktzeitpunkt zwischen Hilfsgerät und Produkt entscheidend ist.
Das neue Kapitel <1664.5> ergänzt die bestehenden USP-Kapitel zu E&L um spezifische Anforderungen für orale Darreichungsformen. SODFs werden als besonders niedrigriskant eingestuft, LODFs mit bestimmten Hilfsstoffen benötigen ggf. eine weitergehende Bewertung. Die Kapitel <661>, <661.2>, <665>, <1663>, <1664> und <1665> sind dabei als Referenz und methodische Grundlage zu verwenden.
Die Kommentierung ist bis Ende November möglich. Der Entwurf des neuen Kapitels steht kostenlos auf der Website des Pharmacopeial Forum der USP zur Verfügung; lediglich eine kostenfreie Registrierung ist erforderlich.