HTS/NGS - Entwurf Ph.Eur.-Kapitel "High-Throughput Sequencing for detecting Viral Extraneous Agents"

NGS steht für "Next-Generation Sequencing" (auch bekannt als High Throughput Sequencing/HTS, Massively Parallel Sequencing/MPS,oder Deep Sequencing) und bezeichnet eine Reihe von hochdurchsatzbasierten Verfahren zur schnellen und kosteneffizienten Sequenzierung von DNA oder RNA. Im Gegensatz zur traditionellen Sanger-Sequenzierung ermöglicht NGS die parallele Sequenzierung vieler DNA-Fragmente, was eine massive Beschleunigung und Skalierbarkeit des Sequenzierungsprozesses mit sich bringt.

NGS hat eine breite Anwendung in verschiedenen Bereichen, darunter die Genomik, Transkriptomik, Epigenetik, Metagenomik und biologischen Systematik. Es wird für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt, darunter die Untersuchung genetischer Variationen, die Identifizierung von Krankheitsursachen, die personalisierte Medizin, die Erforschung der Evolution und die Entdeckung neuer biologischer Zusammenhänge.
Die Technologie hat die Sequenzierungskosten erheblich gesenkt und die Sequenzierungszeiten verkürzt, was zu einem breiteren Zugang zu genomischen Daten und einer beschleunigten Forschung in den Lebenswissenschaften geführt hat. NGS hat auch zu bedeutenden Fortschritten in der Diagnostik und Therapie von Krankheiten beigetragen, indem es ein tieferes Verständnis der zugrunde liegenden genetischen Mechanismen ermöglicht hat.

Anwendungsbereiche

NGS kann in der Pharmaindustrie auf vielfältige Weise eingesetzt werden:

  • Arzneimittelentwicklung und -validierung: NGS wird zur Identifizierung von potenziellen Arzneimittelzielen, zur Validierung von Arzneimittelkandidaten und zur Bewertung der Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln verwendet. Durch die Untersuchung von Genomvarianten in Zielgenen und deren Assoziation mit Krankheiten können potenzielle Biomarker und Therapieansätze identifiziert werden. Diese genetischen Marker dienen dazu, die Wirksamkeit von Arzneimitteln vorhersagen zu können sowie um unerwünschte Arzneimittelreaktionen (s.u.) zu untersuchen.
  • Pharmakogenomik: NGS ermöglicht eine umfassende Analyse von genetischen Variationen in Populationen, was zur Identifizierung von Genotypen führt, die die Reaktion auf Arzneimittel beeinflussen können. Dies ermöglicht eine personalisierte Medizin, bei der Arzneimittel basierend auf den individuellen genetischen Profilen der Patienten verschrieben werden.
  • Pharmakovigilanz: NGS ermöglicht eine umfassende Untersuchung der genetischen Variationen, die mit Arzneimittelnebenwirkungen in Verbindung stehen können. Dies hilft bei der Identifizierung von potenziellen Risikofaktoren und der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit.
  • Mikrobiologische Sicherheit: NGS wird auch zur mikrobiologischen Qualitätskontrolle von Arzneimitteln eingesetzt. Durch die Sequenzierung von Mikroorganismen in Zwischenstufen der Arzneimittel können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Produkte beispielsweise frei von viralen Kontaminationen sind und den Qualitätsstandards entsprechen. Dies ist besonders wichtig bei der Herstellung von biologischen Arzneimitteln, Impfstoffen und anderen Produkten, die mikrobielle Kontaminationen aufweisen könnten.
  • NGS ermöglicht darüber hinaus eine umfassende Identifizierung und Charakterisierung von Mikroorganismen in Proben, einschließlich potenzieller Kontaminanten wie Bakterien, Viren, Pilzen und anderen Pathogenen. Dies bietet eine höhere Auflösung im Vergleich zu traditionellen mikrobiologischen Methoden mittels Kultivierung.
  • Durch den Einsatz von NGS in der mikrobiologischen Qualitätskontrolle können Unternehmen potenzielle Verunreinigungen frühzeitig erkennen, die Produktintegrität gewährleisten und die Sicherheit der Patienten verbessern.

Insgesamt trägt NGS dazu bei, die Arzneimittelentwicklung zu beschleunigen, die Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln zu verbessern und eine personalisierte Medizin zu ermöglichen, die auf den individuellen genetischen Profilen der Patienten basiert.

Draft des neuen Ph. Eur.-Kapitels 2.6.41. HIGH-THROUGHPUT SEQUENCING FOR THE DETECTION OF VIRAL EXTRANEOUS AGENTS

Auch auf regulatorischer Ebene wird auf solche Entwicklungen reagiert. So wurde durch die EDQM in Pharmaeuropa 36.2 der Entwurf des Ph. Eur. general chapter "2.6.41 High-Throughput Sequencing for the detection of viral extraneous agents" zur Kommentierung veröffentlicht.
Mit diesem Entwurf geht die EDQM auf einen Teilaspekt der NGS Anwendung ein, nämlich den Nachweis von viralen Verunreinigungen. Diese können auf verschiedenen Stufen des Herstellungsprozesses in biologische Produkte gelangen bzw. eingebracht werden. Basierend auf den Grundsätzen des Ph. Eur.-Kapitels 5.1.7 zur Risikobewertung der Virussicherheit können zur Gewährleistung von Qualität und Sicherheit biologischer Produkte Tests notwendig sein, wie sie im allgemeinen Kapitel 5.1.7 beschrieben sind. Dazu gehören gegebenenfalls die Prüfung auf virale Kontaminationen von Ausgangsmaterial wie Zellbanken oder Virus Seeds oder auch Rohstoffe tierischen oder pflanzlichen Ursprungs. Diese NGS-basierten Tests können in verschiedenen Stadien eines Herstellprozesses nötig sein, je nachdem an welcher Stelle Zellbanken, oder Virus Seeds im Einsatz sind oder z.B. die Ernte von Proteinen oder Viren erfolgt. Sie können Testmethoden ergänzen, um zum Beispiel bestehende Lücken zu schließen, die bei der Risikobewertung festgestellt wurden, als Ersatz für In vivo-Tests oder auch von In vitro-Methoden mit Zellkulturen. Ein besonderer Nutzen könnte darin bestehen, das Testen neuer Zelllinien zum Nachweis bekannter und unbekannter Viren zu verbessern, oder auch von Virues Seeds oder gewonnene Proteine auf Virusfreiheit zu prüfen, insbesondere wenn herkömmliche Tests aufgrund mangelnder Neutralisierung des Impfstoffs/Vektorvirus oder aufgrund der Toxizität der Probe nicht geeignet sind bzw. Störungen unterliegen. In der Einleitung des neuen Ph. Eur.-Kapitels heißt es:

"HTS kann zum Nachweis aller genomischen viralen Nukleinsäuren (DNA und RNA) (Genomik), viraler RNAs (Transkriptomik) oder verkapselter viraler Genome (Viromik) eingesetzt werden. Der Analyseansatz kann je nach Art der zu untersuchenden Probe gewählt werden. HTS kann für den Nachweis von Retroviren in Fällen, in denen die Wirtssequenzen, die endogene retrovirale Sequenzen enthalten, durch Bioinformatik herausgefiltert werden, komplexer sein. In solchen Fällen sollte eine spezielle Analysestrategie für den Retrovirus-Nachweis entwickelt werden. ….
Die Konzeption der Methode kann Folgendes ermöglichen:
-Erkennung eines breiten Spektrums von viralen Fremdstoffen (bekannte und unbekannte Viren) mit einem nicht zielgerichteten Ansatz unter Verwendung einer umfassenden Datenbank mit viraler Sequenzvielfalt, oder
-Nachweis eines Spektrums bekannter Viren (oder unbekannter Viren, die mit bekannten Viren verwandt sind) mit einem gezielten Ansatz unter Verwendung einer selektiven Erfassung oder Amplifikation von viralen Sequenzen oder unter Verwendung von Referenzvirusgenomen für die bioinformatische Analyse."
(Übers. der Red.)

Im vorliegenden Entwurf des neuen Ph. Eur.-Kapitels geht es also um die Beschreibung von NGS Methoden, die für den Test auf virale Kontaminationen in biologischen Produkten zum Einsatz kommen; z. B. Impfstoffe für die Human- und Veterinärmedizin, rekombinante Proteine, virale Vektoren für die Gentherapie und zellbasierte Präparate für die Zelltherapie. Darüber soll Hilfestellung zur Validierung der NGS-basierten Nachweismethoden gegeben werden. Weitere Hinweise betreffen die Anforderungen für den Ersatz von In vivo- und In vitro-Tests für Kontaminationen und Verunreinigungen durch NGS-Methoden. Diese Empfehlungen basieren auf der im Januar 2024 publizierten Revision der ICH-Leitlinie Q5A(R2), die sich mit der viralen Sicherheitsbewertung von Biotechnologieprodukten aus Zelllinien menschlichen oder tierischen Ursprungs befasst.

Der aktuell veröffentlichte Entwurf des neuen Ph. Eur.-Kapitels 2.6.41 ist bis zum 30 Juni zur öffentlichen Kommentierung offen. Der Zugang kann, nach kostenfreier Registrierung, auf der Webseite von Pharmeuropa erfolgen. Die ECA Pharmaceutical Microbiology Group hat zur Kommentierung eine NGS Task Force eingerichtet.

Beachten Sie dazu den NGS Workshop am 25 Juni in München, der im Rahmen der European Microbiology Conference stattfindet. Dort werden sowohl das neue Ph. Eur.-Kapitel 2.6.41 und die Kommentare der NGS-Task Force zum Entwurf des neuen Ph. Eur.-Kapitels präsentiert als auch ICH Q5A(R2) vorgestellt und diskutiert.

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