FDA veröffentlicht Draft Guidance über Visuelle Kontrolle von Parenteralia

Schon länger war bekannt, dass die US FDA an einem eigenen Guide über die visuelle Kontrolle von Parenteralia arbeitet. Nun ist der Entwurf als 15-seitiges Dokument veröffentlicht worden.

Anwendung finden soll der neue Guide "Inspection of Injectable Products for Visible Particulates" in Entwicklung und Herstellung und sowohl die visuelle Inspektion, Partikel-Identifikation und die Maßnahmen bei Partikelfunden abdecken. Sub-visible Partikel sind nicht Bestandteil des Papiers.

Die FDA referenziert die USP-Kapitel <1> und <790> mit der Anforderung, dass Injectabilia "essentially free" von Partikeln sein sollen, schreibt aber ebenso, dass die Einhaltung der Anforderungen der USP-Kapitel alleine nicht ausreichend ist, um GMP-Compliance zu erlangen. Im Kapitel <790> der USP war erstmal eine Definition der Anforderung "essentially free from Particels" (grundsätzlich/praktisch frei von Partikeln) über einen AQL von <= 0,65 definiert. Je nach Risiko sieht die FDA die Möglichkeit, dass ein Produkt strengeren Standard genügen muss, als es in den Arzneibüchern beschrieben wird.

Risikobetrachtung

Die FDA sieht nach wie vor ein großes Patientenrisiko durch Partikel in Injektionen. Das Risiko wird beeinflusst durch den Verabreichungsweg, die Patientenpopulation, das Material des Partikels, dessen Größe und Form, die Anzahl der Partikel und somit auch den möglichen Einfluss auf Zellgewebe (Immunogenität, Infektiosität, Carcinogenität). Die FDA zitiert hier Fallberichte aus 2012 und 2014. Dort im Zusammenhang mit injizierten Partikeln sind beschrieben: Infektionen und venöse und arterielle Embolien sowie Mikroembolien, Abszesse und Granulome in viszeralen Organen. An den Injektionsstellen wird von Venenentzündungen, Granulomen und lokale Infektionen berichtet.

Schon in der Entwicklung soll der Hersteller die für die jeweilige Herstellung typischen Partikel, deren Größenverteilung und deren Zusammensetzung identifizieren und das Risiko für jede Partikelart beschreiben. Ebenso sollen analytische Methoden, die Partikel zu monitoren und Strategien, die Partikellast zu reduzieren, festgelegt werden.

Die FDA unterscheidet drei Arten von Partikeln: inhärent (das Produkt selbst. bzw. aus der Formulierung stammend), intrinsisch (aus dem Prozess stammend) und extrinsisch (von außerhalb des Prozesses, also aus dem Herstellungsumfeld).

  • Inhärente Partikel sollen nicht zur Ablehnung des Produkts führen, insofern diese eine Eigenschaft des Produkts sind und die Freigabekriterien diesbezüglich eingehalten werden. Bei Produkten, die wie Emulsionen schwer zu inspizieren sind, soll der Hersteller zusätzliche Testmethoden entwickeln/einsetzen um dem gerecht zu werden.
  • Intrinsische Partikel stammen aus dem Prozess bzw. den produktberührenden Teilen von Containern oder des Equipments (Glasvials, Glasdelaminierung, Gummistopfen, Rohrleitungen, Filter, Ventile). Der Arzneimittelhersteller soll mittels Entwicklungsstudien feststellen, wie und wo diese Art Partikel in seinem Prozess entstehen und Lebensdauern von Geräten/Ausrüstung festlegen.
  • Extrinsische Partikel stammen aus dem Prozessumfeld und stammen von Quellen, deren Produktkontakt nicht vorgesehen ist. Von diesen Partikeln geht ein höheres Risiko der mikrobiellen Verunreinigung des Produkts aus. Für die FDA bedeutet das Auftreten von extrinsischen Partikeln im Endprodukt Mängel in Umgebungskontrolle, Equipmentdesign, Alter oder Wartung der Ausrüstung, etc.).

Visuelle Inspektion

Die 100% visuelle Kontrolle von Parenteralia ist für die FDA nur ein Teil eines größeren Programms, welches sicherstellen soll, dass Produkte "essentially free from particles" sind, wie dies auch im USP Kapitel <1790> angedacht ist.

Das Programm der visuellen Kontrolle soll auf Produkt und Herstellprozess passend sein. Bei Änderungen von z. B. der Chargengröße oder Herstellprozess kann es also erforderlich sein, Inspektions- und/oder statistische Methoden zu überarbeiten. Zusätzlich zur visuellen Inspektion soll ein Partikelkontrollprogramm das Training und die Qualifizierung der Mitarbeiter, die Untersuchung von Unstimmigkeiten, Fehlerursachenanalyse und CAPA-Maßnahmen beinhalten. Zusätzlich zur 100% visuellen Prüfung soll durch die Quality Unit eine statistische Beprobung und Prüfung erfolgen (AQL Testing). Die 100% Kontrolle soll zum Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung von Partikeln am größten ist, z.B. vor dem Etikettieren Produkt-Containern. ´

Die FDA nennt alle drei Arten der 100% visuellen Kontrolle. Manuelle Kontrolle, Halbautomatische Kontrolle und Automatische Kontrolle. Die automatische Kontrolle kann als Teil einer Untersuchung im Inspektionsprozess, als Ersatz für die manuelle Inspektion oder als zusätzlicher Qualitätssicherungsschritt verwendet werden. In der automatischen Kontrolle können verschiedene Wellenlängen oder Sensoren verwendet werden, um schwer optisch zu kontrollierende Produkte besser prüfen zu können. Die FDA nennt hier Kameras, Diode Array, Röntgen, Nahfeldradar, UV und NIR Spektroskopie.

Arzneimittelhersteller sollten statistisch fundierte Studien zur Detektion von sichtbaren Partikeln, zur Dauer der Prüfung einer Einheit, zur Beleuchtung und bzgl. des Zeitrahmens für die Ermüdung der (manuellen) Operator durchführen. Die Durchführung der visuellen Kontrolle muss schriftlich fixiert sein. Dort genannt werden sollen Parameter wie Verwirbelung, Umdrehen der Container, Abstand zur Lichtquelle) und die maximale Dauer der Inspektion ohne Ruhepause (bei der manuellen Kontrolle).

Bei Large Volume Parenterals  (LVPs) sieht die FDA ein größeres Risiko für den Patienten hinsichtlich Partikel, da durch die großen verabreichten Mengen die Auftrittswahrscheinlichkeit von Partikeln steigt. Daher sollten diese Produkte dem gleichen Inspektionsniveau unterzogen werden wie kleinvolumige Produkte. Der Arzneimittelhersteller sollte geeignete Maßnahmen ergreifen, um auch hier eine angemessene 100%-Kontrolle zu gewährleisten. Zusätzliche zerstörende Prüfungen können angebracht sein.

Undurchsichtige Produkte und Behältnisse (z. B. gefriergetrocknete Pulver, Suspensionen, dunkle Container) sind ebenfalls schwer optisch zu kontrollieren. Die o.g. Technologien (X-Ray, NIR, etc.) können helfen, wie auch zusätzliche zerstörende Prüfungen nach der 100% Inspektion. Eine zusätzliche zerstörende Prüfung muss jedoch nicht erforderlich sein, wenn validiert worden ist, dass die eingesetzte Technologie die Anforderungen der menschlichen Prüfung erfüllt oder übertrifft.

Statistik und AQL

Nach der 100%-Kontrolle sollte der Hersteller statistisch fundierte Probenahmepläne, validierte Kontrollmethoden und geeignete Akzeptanzkriterien einsetzen, um sicherzustellen, dass jede Produktcharge einen vorab festgelegten AQL-Wert für sichtbare Partikel erfüllt. Hier stimmt die FDA mit den Kapiteln <1> und <790> der USP überein. Für Produkte mit höherem Risiko können jedoch nach Auffassung der FDA strengere Kriterien angemessen sein. In den Probenahmeplänen sollte jede zu prüfende Fehlerklassifikation oder jedes Qualitätsmerkmal berücksichtigt werden.

Extrinsische Partikel, die bei der 100%-Kontrolle oder dem AQL der Charge gefunden werden, was größere Probleme hinsichtlich Sterilität oder GMP-Compliance hindeutet, kann zur Produktablehnung führen, selbst wenn die Akzeptanzkriterien der AQL Prüfung erfüllt sind. Ebenso kann das Auftreten von mehreren sichtbaren Partikeln (extrinsisch oder intrinsisch) in einem einzigen Produktbehältnis auf Herstellungsprobleme hinweisen und sollte eine verstärkte Prüfung der Charge auslösen.

Training und Qualifizierung

Hinsichtlich der Anforderungen an das Training der Mitarbeiter der manuellen Kontrolle enthält das FDA-Papier keine Neuigkeiten. Bei der Ausrüstung wird zwischen den drei Inspektionsarten unterschieden. Bei der manuellen Kontrolle sollte der spezifische Hintergrund und die verwendete Lichtintensität qualifiziert sein. Halbautomatische Prüfgeräte sollten kalibriert und für eine bestimmte Drehzahl qualifiziert sein, mit der Container gedreht werden und bzgl. Bandgeschwindigkeit und Beleuchtung. Die Qualifizierung/Validierung von Vollautomaten sollte auf dem Vergleich mit der menschlichen Inspektionsfähigkeit beruhen und gleich dieser sein, oder besser. Die kann mittels Testkits oder künstlicher Intelligenz qualifiziert werden. Testkits sollten von der Qualitätssicherung freigegeben werden. In der Regel sollte der Prozentsatz fehlerhafter Einheiten in einem Testsatz 10-20 % nicht überschreiten.

Vorgehen bei Abweichungen

Abweichungen aus dem Inspektionsprozess, in Qualitätskontrolltests oder durch Reklamationen sollten darauf abzielen, die Partikel zu identifizieren und hinsichtlich intrinsisch oder extrinsisch zu kategorisieren. Die Folge können verschärfte Probenahmepläne und die Untersuchung der Partikelherkunft sein. Untersuchungen sollten durchgeführt werden, wenn einzelne oder Summenfehlergrenzen überschritten werden und wie eine Charge die AQL-Grenzwerte nicht erfüllt.

Atypische Trends sollten ebenfalls untersucht werden, wie auch das Auftreten von Einheiten mit nicht häufig beobachteten sichtbaren Partikeln.

Auch hinsichtlich Reinspektion macht die FDA Aussagen. So ist eine Reinspektion einer Charge generell möglich, wenn dies wissenschaftlich begründbar ist. Dies sollte nach genehmigten SOPs mit verschärften Akzeptanzkriterien durchgeführt werden. Die FDA empfiehlt außerdem nicht mehr als eine Reinspektion von Chargen, bei der atypische Fehler gefunden wurden. Proben, die die AQL-Wiederholungsprüfung nicht bestanden haben, sollten zusammen mit Rückweisungen von anderen Prüfungen des Produkts (z. B. aus der 100%-Prüfung und aus der ursprünglichen visuellen AQL-Prüfung) in die Berechnungen einbezogen werden, um alle Einheiten Charge zu berücksichtigen.

Der neue FDA Guide "Inspection of Injectable Products for Visible Particulates" ist im Dezember 2021 erschienen, die Kommentierungsfrist läuft bis zum 15. Februar 2022.

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