Die "Wirkstoff-Warning Letters" der letzten 21 Monate - Fakten und Trends
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Die Anzahl der Warning Letters, die an Wirkstoffhersteller adressiert waren, hat in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen. Mit 22 im Fiskaljahr 2016 waren es bereits mehr als doppelt so viele wie im vorangegangenen Fiskaljahr, in dem 10 Wirkstoffbetriebe dieses unbeliebte Schreiben der FDA erhielten.
Während die Warning Letters für Arzneimittelhersteller auf den Kapiteln des Code of Federal Regulations, 21 CFR, Part 211 basieren, beziehen sich die Zitate in den "Wirkstoff-Warning Letters" auf die Bestimmungen in den Kapiteln der Leitlinie ICH Q7. Diese werden, anders als die 21 CRF 211-Kapitel in den "Pharma-Warning Letters", nicht explizit angegeben. Allerdings geben die Formulierungen der in der Regel fettgedruckten Hauptmängel in den "Wirkstoff-Warning Letters" meist wörtlich die entsprechenden Textpassagen der ICH Q7-Leitlinie wider, so dass in den meisten Fällen eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Dies erleichtert auch eine einfache statistische Betrachtung hinsichtlich der Häufigkeitsverteilung der Mängel und der Trends über einen bestimmten Zeitraum.
Im Folgenden werden einige Fakten zu den Warning Letters an Wirkstoffhersteller für den Zeitraum des Fiskaljahr 2016 (Okt. 15 bis Sept. 16) und den 9 Monaten des Fiskaljahres 2017 (Okt. 16 bis Juni 17) angegeben.
Inspizierte Standorte
Der Anteil der in Indien und China lokalisierten Produktionsstandorte, die einen Warning Letter erhielten ist in beiden betrachteten Zeiträumen hoch.
Land | Anzahl WLs in FY 2016 | Anzahl WLs in FY 2017 (9 Monate) |
China | 10 | 9 |
Indien | 6 | 8 |
USA | 2 | 1 |
Vereinigtes Königreich | 1 | 1 |
Kanada | 1 | 0 |
Italien | 1 | 0 |
Deutschland | 1 | 0 |
Spanien | 0 | 1 |
Japan | 0 | 1 |
Die Zahlen für die vorangegangenen Fiskaljahre sehen vergleichbar aus; dies ist ein stabiler Trend, der sich auch in Zukunft so fortsetzten dürfte.
Interessant ist der Blick auf die Findings in den Warning Letters der beiden Zeiträume.
Häufigkeitsverteilung der Zitate
Spitzenreiter im FY 2016 sind Mängel, die sich auf Kapitel 5 Process Equipment, Unterkapitel 5.4 Computerized Systems, Abschnitt 5.43 der Leitlinie ICH Q7 beziehen. Dieser Abschnitt lautet:
"Computerized systems should have sufficient controls to prevent unauthorized access or changes to data. There should be controls to prevent omissions in data (e.g. system turned off and data not captured). There should be a record of any data change made, the previous entry, who made the change, and when the change was made."
Insgesamt finden sich in den Warning Letters 12 Zitate, die sich auf den unkontrollierten Zugriff auf elektronische Rohdaten beziehen. In den meisten Fällen werden Betrug und Datenmanipulation beschrieben, wie z.B. das Löschen "schlechter" Analysenläufe (HPLC) nach Auswahl der Analysen mit spezifikationskonformen Resultaten, Manipulationen der Metadaten im Audittrail, Umdatieren von Analysen etc. Diese Mängel werden in den Warning Letters an 6 indische, 5 chinesische Standorte sowie an eine deutsche Firma beschrieben.
Die zweithäufigsten GMP-Verstöße fanden die Inspektoren im Bereich Qualitätsmanagement mit Bezug auf das ICH Q7-Kapitel 2 Quality Management. Besonders häufig waren mit 6 Zitaten Verstöße gegen die in Abschnitt 2.15 beschriebenen Anforderungen zur zeitnahen Aufzeichnung qualitätsrelevanter Tätigkeiten:
"All quality related activities should be recorded at the time they are performed."
Hier beobachteten die FDA-Inspektoren unvollständig ausgefüllte Chargenprotokolle sowie das häufig praktizierte nachträgliche Übertragen von Messwerten von Notizzetteln in das offizielle Protokoll (teilweise sogar "aus dem Gedächtnis", d.h. ohne Notizzettel). Adressaten der entsprechenden Warning Letters waren 4 Standorte in China und 2 in Indien.
Im FY 2017 sieht die Häufigkeitsverteilung etwas anders aus. Mit insgesamt 11 Zitaten, die sich auf GMP-Verstöße zu Kapitel 5 Process Equipment beziehen, ist die Anzahl der Findings in diesem Bereich immer noch recht hoch. Die Anzahl der Zitate, die sich direkt auf den unkontrollierten Datenzugriff gemäß Unterkapitel 5.4 Computerized Systems, Abschnitt 5.43 beziehen, hat sich jedoch mit nur 5 (Warning Letters an 2 indische, 2 chinesische und 1 japanischen Hersteller) deutlich verringert. Weitere 5 Zitate verweisen auf Bestimmungen zu einem ganz anderen Thema, nämlich "Reinigung und Instandhaltung". Unterkapitel 5.2 Equipment Maintenance and Cleaning, Abschnitt 5.21 lautet:
"Written procedures should be established for cleaning of equipment and its subsequent release for use in the manufacture of intermediates and APIs. Cleaning procedures should contain sufficient details to enable operators to clean each type of equipment in a reproducible and effective manner. ..."
Adressaten der Warning Letters, die Mängel in diesem Bereich anführen, waren 3 Firmen in Indien, 1 in den USA und 1 in Spanien. In dem Warning Letter an den spanischen Hersteller wurde auch ein GMP-Verstoß in Bezug auf ungeeignete Produktionsausrüstung beschrieben mit Verweis auf Unterkapitel 5.1 Design and Construction, Abschnitt 5.11 ("Equipment should be constructed so that surfaces that contact raw materials, intermediates, or APIs do not alter the quality of the intermediates and APIs beyond the official or other established specifications").
Die eigentliche Spitze in der Häufigkeitsverteilung der Findings im FY 2017 bilden Zitate zu Kapitel 2 Quality Management. Hier wurden in den Warning Letters insgesamt 12 GMP-Verstöße gegen die Grundsätze der Qualitätssicherung und bezüglich des Verantwortungsbereichs der Qualitätseinheit beschrieben (Unterkapitel 2.1 Principles, 2.2 Responsibilities of the Quality Unit(s) und 2.3 Responsibilities for Production Activities), also doppelt so viele wie im FY 2016. Die Szenarien reichen von der völligen Abwesenheit einer Qualitätseinheit (z.B.: "Your firm has no Quality Unit. ... Your salespeople signed your CoA under the title "QC Director". Without performing tests, your salespeople also signed under "Tested By"") bis zum Fehlen grundlegender wichtiger GMP-Dokumente (z.B.: "Your firm had no written procedures for supplier qualification, relabeling and repackaging operations, sampling, production release, stability, and document retention. ...").
Weitere 12 GMP-Mängel wurden im Bereich Qualitätskontrolle und Labor gefunden. Hier waren es vor allem die unvollständige oder überhaupt nicht durchgeführte Aufklärung der Ursachen von OOS-Ergebnissen, die die FDA-Inspektoren zu entsprechenden Rügen in den Warning Letters veranlassten.
Die Adressaten der Warning Letters mit GMP-Verletzungen in den Bereichen Qualitätsmanagement und Laborkontrollen waren neben einer US-amerikanischen Firma ausschließlich Wirkstoffhersteller in Indien und China.
Betrachtet man die in den Warning Letters formulierten Mängelrügen, zeichnet sich ein leichter Trend ab, weg von dem speziellen GMP-Verstoß "nicht vorhandene Zugriffskontrolle auf elektronische Daten und deren Manipulation" hin zu "mangelhaft ausgeübter Verantwortung der Qualitätseinheit und Fehlern im Qualitätskontrolllabor". Das Problem der Verletzung der Datenintegrität wird jedoch sehr wahrscheinlich bis auf Weiteres vor allem bei fernöstlich Produktionsstandorten präsent bleiben. Ob sich diese Prognose bewahrheitet, wird die Analyse der Warning Letters nach Ablauf des FY 2017 Ende dieses Jahres zeigen.