Die Prüfung auf Ethylenglykol, Diethylenglykol und Methanol - ein "Hot Topic" bei FDA-Inspektionen
Die Prüfung von Ausgangsstoffen bzw. Hilfsstoffen, die für die Herstellung von Arzneimitteln und pharmazeutischen Wirkstoffen eingesetzt werden, ist eine GMP-Basisanforderung. Bei FDA-Inspektionen ist die Einhaltung dieser Anforderung ein "Hot Topic" schlechthin. Seit 2023 ist die Häufigkeit der Mängel bei der Prüfung von Ausgangsstoffen, die in den FDA Warning Letters beschrieben werden, stark angestiegen. Die regulatorischen Vorgaben für diese Prüfung sind im Code of Federal Regulations 21 CFR 211.84 beschrieben.
Worauf ist dieser sprunghafte Anstieg von Verstößen gegen Paragraf 211.84 zurückzuführen?
Hintergrund
Im Mai 2023 veröffentlichte die FDA die Guidance for Industry "Testing of Glycerin, Propylene Glycol, Malitol Solution, Hydrogenated Starch Hydrolysate, Sorbitol Solution, and other High-Risk Drug Components for Diethylene Glycol and Ethylene Glycol" als Reaktion auf Zwischenfälle mit verunreinigten Arzneimitteln - hauptsächlich Kinderarzneimitteln - bei denen zahlreiche Todesfälle zu beklagen waren. Diese Zwischenfälle wurden Anfang Januar 2023 in einer Mitteilung der WHO "WHO urges action to protect children from contaminated medicines" über Vergiftungsfälle in Gambia, Indonesien und Usbekistan beschrieben.
Ethylenglykol (EG) und Diethylenglykol (DEG) sind als Frostschutzmittel verwendete Industriechemikalien und für den Menschen hochtoxisc. Sie besitzen einen ähnlich süßlichen Geschmack wie Glycerin, das in Kinderarzneimitteln wie z.B. Hustensaft eingesetzt wird. Hier wurde offensichtlich absichtlich aus Gründen der Kostenersparnis Glycerin gegen diese Glykol-Verbindungen ausgetauscht - mit fatalen Folgen.
Die Tragik dieses Problems zeigt sich vor allem in der schon viel zu langen Historie von Vergiftungsfällen: bereits 1937, also vor fast 90 Jahren (!), starben in den USA 107 Menschen, darunter viele Kinder, an einem mit DEG kontaminierten Arzneimittel (Sulfanilamid-Elixier). Diese Katastrophe führte zur Verabschiedung des Federal Food, Drug, and Cosmetic Act und der Einsetzung der FDA als Aufsichtsbehörde. Weitere Vorfälle ereigneten sich 1995 und 1996 (Haiti), zwischen 1990 und 1998 (Argentinien, Bangladesh, Indien, Nigeria) und 2006 (Panama).
Wo liegen die Gründe dafür, dass solche kontaminierten Präparate immer wieder auf den Markt kommen?
Hauptursachen für Verunreinigungen mit DEG/EG
Die Guidance for Industry nennt drei immer wiederkehrende Fehler bei der Kontrolle von zugeliefertem Glycerin:
- Es fehlen ein vollständiger Identitätstest sowie eine quantitative Reinheitsprüfung.
- Der Arzneimittelhersteller verlässt sich blind auf das Lieferantenzertifikat für Glycerin.
- Der Originalhersteller des Glycerins ist auf dem Zertifikat nicht ersichtlich, d.h. die Angaben auf dem Zertifikat wurden auf den Briefbogen des Liferanten kopiert und entsprechen nicht denen des Original-Zertifikats.
Genau dies spiegelt sich in den Warning Letters der letzten drei Fiskaljahre wider - ein Beweis dafür, dass die Verstöße gegen die Pflicht zur ausreichenden Prüfung der Ausgangsstoffe, die letztlich zur Erstellung und Veröffentlichung dieser Guidance geführt haben, nach wie vor häufig sind. Die Durchsicht der Warning Letters des Zeitraums FY 2023-25 zeigt auch noch einen weiteren interessanten Punkt: Viele der Firmen, die ihre Ausgangsstoffe nicht adäquat testen, stellen topische Produkte, Hygieneartikel wie z.B. Desinfektionstücher oder Händedesinfektionsmittel her. Bei letzteren beanstandet die FDA eine mangelhafte Prüfung von Ethanol auf Methanol mit Verweis auf die ebenfalls 2023 veröffentlichte Guidance for Industry "Policy for Testing of Alcohol (Ethanol) and Isopropyl Alcohol for Methanol". Die hohe Anzahl dieser Firmen unter den Warning Letters-Adressaten ist eine Folgeerscheinung der Corona-Pandemie, in der zahlreiche Firmen die Herstellung von Händedesinfektionsmitteln in ihr Produktportfolio mit aufnahmen - einige davon leider mit mangelhaften Tests des Hauptbestandteils Ethanol.
Die beiden Guidances zur Prüfung von Prüfung von Ethanol und zur Prüfung von Glycerin und anderen Hochrisiko-Komponenten sind in ihrer Relevanz für den unmittelbaren Schutz des Endverbrauchers kaum zu überschätzen und stellen eine wichtige Ergänzung der schon recht detaillierten Vorgaben des Paragrafen 211.84 dar.
