Abweichungs-Management: Warum 'Human Error' nicht das Ende, sondern der Anfang ist

In der pharmazeutischen Industrie führt der Druck, schnell auf Abweichungen zu reagieren, leider immer noch zu einer bekannten Schlussfolgerung: jemand hat einen Fehler gemacht (Human Error). Es scheint klar, einfach und überschaubar zu sein - jemand hat sich nicht an eine Vorgehensweise gehalten, jemand hat einen Wert falsch gelesen, jemand hat etwas vergessen, jemand hat einen Fehler gemacht. Der Fehler wird protokolliert, eine Nachschulung wird angeordnet und der Fall ist abgeschlossen. In Wirklichkeit hat sich jedoch nichts Wesentliches geändert oder gar verbessert.

Diese übermäßige Nutzung von "Human Error" als Grundursache spiegelt ein tiefer liegendes Problem im Abweichungsmanagement wider - nämlich das Versäumnis, sich voll und ganz mit dem Zweck und der Leistungsfähigkeit einer effizienten Ursachenanalyse (Root Cause Analysis, RCA) auseinanderzusetzen. Die RCA ist keine Formalität, sondern der Dreh- und Angelpunkt eines funktionierenden Abweichungsmanagements. Ohne sie laufen Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen (CAPAs) Gefahr, ihr Ziel zu verfehlen.

Menschliches Versagen mag der sichtbarste Teil einer Abweichung sein, aber selten ist es die eigentliche Ursache. Oft ist es ein Symptom - eines, das z.B. auf Schwächen in der Prozessgestaltung, der Arbeitsumgebung oder der Verfügbarkeit von Ressourcen hinweist.

Eine gut durchgeführte RCA untersucht, was den Fehler möglich gemacht hat. Sie fragt nicht nur, wer den Fehler gemacht hat, sondern auch warum er aufgetreten ist, unter welchen Bedingungen und wie das System dazu beigetragen hat. Das sind keine abstrakten Fragen. Sie sind praktisch: War der Prozess unnötig komplex oder schlecht dokumentiert? Gab es Ablenkungen, Zeitdruck oder Geräteausfälle?

Was eine RCA effizient macht, ist ihr strukturierter Ansatz für komplexe Sachverhalte. Werkzeuge wie "5 Warums", Fischgräten-Diagramme und Vergleichsanalysen organisieren und visualisieren nicht nur das Denken, sondern ermutigen Teams auch, Fakten zu vergleichen und zu reflektieren, bevor sie Schlussfolgerungen ziehen. Sie ermöglichen eine schrittweise Untersuchung, bei der miteinander verbundene Ursachen aufgedeckt werden, die sonst möglicherweise übersehen würden. Diese Werkzeuge funktionieren nur, wenn sie konsequent eingesetzt werden, und nicht nur als Vorlagen dienen, Dokumentationsanforderungen zu erfüllen.

In diesem Zusammenhang ist die Identifizierung menschlicher Fehler keine Schlussfolgerung, sondern ein Ausgangspunkt. Sie signalisiert die Notwendigkeit, Prozesse, Qualitätssysteme, Arbeitsstrukturen, die Klarheit von SOPs und sogar die Arbeitsplatzkultur zu überprüfen. Jeder dieser Aspekte kann Bedingungen schaffen, unter denen Fehler mehr oder weniger wahrscheinlich auftreten. Die menschliche Leistung ist nicht vom System isoliert, sondern wird von ihm geprägt.

Darüber hinaus wirkt sich die Qualität der RCA direkt auf die Wirksamkeit der CAPAs aus. Korrekturmaßnahmen müssen mehr leisten, als nur den unmittelbaren Fehler zu beheben. Sie müssen die Ursache beseitigen. Vorbeugende Maßnahmen sollten wiederum noch weiter gehen und Verbesserungen auf Systemebene verstärken, die das Risiko einer Wiederholung über Prozesse, Systeme oder Abteilungen hinweg verringern. Ein solches Maß an Wirkung ist jedoch nur möglich, wenn die Grundursache korrekt und gründlich identifiziert wird.

Die besten Unternehmen integrieren die RCA in ihren täglichen Betrieb, nicht nur als Compliance-Instrument, sondern als Denkweise. Sie betrachten Abweichungen als Chancen um daraus zu lernen. Wenn Teams menschliche Fehler nicht mehr als bequeme Erklärung betrachten, sondern als Einblick in die Systemleistung, beginnt sich die Kultur zu verändern. Die Eigenverantwortung verbessert sich und es entsteht Vertrauen zwischen den Teams und der Führung.

Letztendlich fragt eine ausgereifte Qualitätskultur nicht, ob jemand einen Fehler gemacht hat. Sie fragt, was das System zugelassen, ermöglicht oder nicht verhindert hat. Dieser Wandel von der Schuldzuweisung hin zur Untersuchung von Systemen ist der Beginn einer sinnvollen Verbesserung. Und genau darin liegt der wahre Wert der Ursachenanalyse.

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